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Autor: Franziska Coenen, geschäftsführende Gesellschafterin

Unser Weg zur klimaneutralen Agentur

Unser Weg zur klimaneutralen Agentur – Die Quadratur des Kreises

In einem Gastbeitrag bei W&V Online (erschienen am 25.10.) habe ich über unsere Reise hin zur klimaneutralen Agentur berichtet. Ein spannender und anspruchsvoller Weg, der nicht immer leicht zu bewältigen war. Damit auch Leser:innen, die über kein W&V+-Abo verfügen, erfahren, wie und warum wir diesen umfangreichen Change-Prozess in unserer Agentur angestoßen haben und mit welchen Hürden wir uns dabei konfrontiert sahen, haben wir unseren Erfahrungsbericht hier auf unserem Blog zusammengefasst.

Viel Spaß beim Lesen:

Klimaneutrale Agentur? Warum eigentlich?

Für uns als Digitalagentur ging es beim Wandel hin zur klimaneutralen Organisation nie ‚nur‘ darum, unser Markenimage zu verbessern, Kund:innen-Anforderungen zu folgen oder Wettbewerbsvorteile zu sichern. Im Zentrum unserer Anstrengungen stand von Anfang an der einzig wichtige Grund: Es ist der richtige Weg, um gesellschaftliche Impulse zu setzen und Verantwortung zu übernehmen.

Im Laufe des Prozesses stellten wir also viele Herangehensweisen und Beschaffungspraktiken an den Prüfstand – und haben vieles direkt verändert: wir beziehen nun ausschließlich Ökostrom, kaufen vorwiegend wiederaufbereitete Rechner und IT-Devices, verzichten auf tierische Nahrungsmittel für die Agentur und beauftragen – so weit möglich – nur klimaneutrale Provider und Dienstleistende.

In einem Audit-Verfahren...

... wollten wir dann gemeinsam mit unserer Partnerin wertsicht eine transparente, realistische Klimabilanz erstellen, um unsere bisherigen Erfolge auch messen zu können – und um festzustellen, wo wir besser werden müssen – nur dann weiß man wirklich, wo und mit welchen Mitteln man weiter agieren muss. Doch schon in diesem Verfahren stellten wir fest, dass das nicht so einfach wird, wie wir das gedacht hatten. Denn: Viele Informationen lagen uns zwar bereits vor, andere wiederum waren nicht oder nur sehr aufwendig zu erheben. Im Ergebnis konnten wir für unsere allererste Bilanz dementsprechend nicht alle Emissionsquellen beziffern – etwa von Remote-Working, von Rechenzentren von Projektmanagement- oder Kreativsoftwareservices wie Adobe Creative Cloud oder die CO2-Kosten für Möbel.

Im Kern stellten wir drei wesentliche Faktoren fest, die das Thema ‚realistische Klimabilanz‘ schwierig gestalten. Diese sollten Agenturentscheidende daher immer im Auge haben, wenn sie sich ebenfalls auditieren lassen möchten:

Standards für die Erhebung von Klimabilanzen entwickeln sich noch

Für Klimabilanzen sind aktuell eigentlich nur die Emissionen aus den Scopes 1 (selbst erzeugt) und 2 (erzeugt durch Strom und Heizung) relevant. Treibhausgase, die vor- und nachgelagert entlang der Wertschöpfungskette entstehen (Scope 3), müssen zwar bewertet und in ihrer Wesentlichkeit betrachtet werden, aber NICHT zwingend mit in die Bilanz einfließen. Das Komplizierte daran: Unternehmen haben diese Faktoren nicht in der eigenen Hand, sondern sind von den Angaben Dritter abhängig – sofern Daten überhaupt vorliegen oder preisgegeben werden. Dazu gehören etwa Abfallentsorgung, eingekaufte Services und Waren, Fahrtwege der Mitarbeiter etc. – also die wesentlichen CO2-Kostentreiber.

Agenturen können also weitestgehend selbst entscheiden, was sie in ihre Klimabilanz einfließen und was sie lieber unter den Tisch fallen lassen.

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Nicht alle Emittenten sind bezifferbar

Allerdings: Selbst, wenn man zu 100% transparent sein will, hat man bei den Daten aus dem Scope 3 echte Schwierigkeiten. Konkret: Mit unseren 40 Mitarbeitenden, die alle hardcore Internetnutzer sind – schließlich verdienen wir mit Webshops, Websites, digitalen Plattformen und umfassenden Digitalstrategien unser Geld -, haben wir uns wirklich schwer getan, alle Angaben für uns zufriedenstellend zusammenzutragen – etwa beim leidigen Thema Schadstoffausstoß durch unsere Netznutzung oder durch die eingesetzten Rechenzentren. Hierzu mussten wir uns an Ungefährangaben orientieren: Es existieren zwar Schätzungen, wonach jede in Deutschland lebende Person durch ihren privaten digitalen Lifestyle im Schnitt etwa 0,85 Tonnen CO2 pro Jahr produziert – inkl. 213 Kilogramm CO2 pro Jahr und Internetnutzer:in für Rechenzentren. Das ist aber noch lange keine verlässliche Angabe für unsere Arbeit – wir sind mit allen Mitarbeiter:innen täglich mindestens acht Stunden nonstopp im Netz – vorwiegend in Anwendungen und auf SaaS-Services wie Jira, Adobe Creative Cloud oder Microsoft Teams. Von neuen Themen wie die Auswirkungen von Remote-Working ganz zu schweigen.

Klimabilanzen ohne Vergleichbarkeit sind nichts wert

Es fehlt also nicht nur in der Agenturbranche die Vergleichbarkeit im Bilanzierungsprozess. Für uns als Agentur liegen unserem Handeln folgende Gedanken zugrunde: Wir wollen Ideen digital erfolgreich machen, die gut für Umwelt und Gesellschaft sind – und letztlich, dass Nachhaltigkeit endlich im Mainstream ankommt. Für uns ist es daher absolut zwingend, in allem was wir tun vollständig transparent zu agieren – erst recht beim Erstellen unserer Klimabilanz. Nur so können wir glaubhaft unsere vier Kernwerte – Nachhaltigkeit, Transparenz, Zusammenarbeit und Qualität – glaubhaft nach außen vertreten. Wir müssen also zu 100 Prozent transparent arbeiten und Emittenten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg angeben. Dies kann schnell zu einem Nachteil für unsere Agenturmarke werden – nämlich dann, wenn andere Agenturen, relevante und CO“-Kostentreibende Daten in ihrer Bilanz weglassen.

Franziska Coenen dotfly

Fazit: Für uns kommt nur absolute Transparenz in Frage

Für uns heißt das: Wir können auf diese Diskrepanzen nur mit absoluter Ehrlichkeit und Transparenz antworten. Das wird zwar weh tun und unsere Klimabilanz im ersten Augenblick massiv belasten. Wir können es uns aber nicht leisten, uns selbst und andere bei diesem wichtigen Thema anzulügen. Wir müssen aufrichtig in den Spiegel blicken, Bilanz ziehen und entscheiden, wie wir weiter an unserem Ziel arbeiten, 100% klimaneutral zu werden. Transparenz heißt für uns das Gebot der Stunde.

Autorin: Franziska Coenen, Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin von dotfly

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